Wider den Geranien-Petunien-Einheitsbrei

Islandmohn gedeiht auch auf dem Balkon - Papaver nudicaule

Bern hat ein spezielles Verhältnis zu Geranien. Wahrscheinlich gibt es in der Innenstadt in den Mietverträgen eine Klausel, welche die Mieterschaft zum Anbau von Geranien verpflichtet, zumindest auf der tourismusrelevanten Vorderseite des Hauses. In den Quartieren hat man es da schon besser, und so sieht man auch mehr pflanzliche Vielfalt auf dem Fensterbrett, sobald man aus der berühmten Altstadt von Bern herausspaziert. Hier möchte ich ein paar persönliche Tipps geben für all jene, die sich zwar an Wildblumen auf dem Balkon oder Fensterbrett nicht herangetrauen (dazu gibts in diesem Blog in anderen Beiträgen viele Tipps), aber von ewigroten Geranien und lilanen Petunien einfach die Nase voll haben. Es gibt eine Vielzahl anderer Blumen, die auf einem Balkon in Kistchen oder Töpfen gut gedeihen, ohne dass man allzuviel Aufwand treiben muss.

Wer eine Blume für ganz spezielle Verhältnisse sucht oder einfach bestimmte Wünsche hat, dem sei übrigens mein Blumenfinder empfohlen: Auf dieser Seite können Sie ihre Kriterien eingeben, neben Farbe und Jahreszeit auch Temperatur, Wasser und weitere Verhältnisse und sich die geeignete Pflanze ausgeben lassen. Die Seite enthält für die meisten Pflanzen auch Bilder und Links zu Kulturanleitungen. Die Liste wird laufend ausgebaut.

Hier nun meine Tipps für Balkon und Fensterbrett:

Prachtwinden – Ipomoea purpurea

Prachtwinden in verschiedenen Blautönen - Ipomoea purpurea

Während früher Balkone in Massivbauweise erstellt wurden, sieht man heute immer häufiger schlanke Metallkonstruktionen auf Stelzen. Das schreit geradezu danach, die metallenen Balkongeländer von Prachtwinden umranken zu lassen. Dafür muss man die Pflanzen natürlich selbst aus Samen ziehen, aber das ist ganz einfach. Samen findet man in jedem Supermarkt. Oder wenn man in der Nachbarschaft schöne Winden sieht, wartet man, bis im Spätsommer oder Frühherbst (jetzt ist gerade die ideale Zeit) die runden Samenkapseln braun und trocken werden und sammelt sie dann ein.

Prachtwinden haben spektakuläre Blüten – Nomen est Omen – und blühen Tag für Tag. Wenn man die gleiche Sorte oder auch verschiedene Sorten zeitlich um ein paar Wochen versetzt anzieht, kann man ihre Pracht über Monate geniessen. Allerdings überleben die Blüten nur den Vormittag, denn mittags werden sie bereits wieder welk. Die nächste Blüte kommt jedoch bestimmt. Und von jenen Pflanzen, die besonders gut gedeihen, nimmt man Samen fürs nächste Jahr. So hat man mit den Jahren das optimale Saatgut für die eigenen Verhältnisse.

Kulturanleitung

Bechermalve – Lavatera trimestris

Bechermalve ganz in Rosa - Lavatera trimestris

Mein absoluter Liebling unter den einjährigen Blumen ist die Bechermalve, obwohl ich Rosa eigentlich gar nicht mag. Selbst meine Arbeitskollegen, denen ich dieses Jahr auf der Dachterrasse eine Bechermalve untergejubelt habe, waren beeindruckt. Man kann gar nicht anders, als diese Pflanze mit ihren riesigen rosanen Trichterblüten einfach zu mögen. Bechermalven sprengen eigentlich das Mass einer Balkonpflanze: Wenn man ihnen genug Platz gibt, dann gehen sie sowohl in die Höhe wie in die Breite und – was man erst merkt, wenn man sie entsorgt, auch in die Tiefe. Der Trick für den Balkon ist, ihnen einen winzigen Topf zur Verfügung zu stellen, nicht mehr als 15 cm Durchmesser, dann zwingt man sie in eine balkontaugliche Grösse von 30 bis 40 cm. Allerdings überstehen sie dann auch Trockenperioden schlechter und blühen nicht so lange wie in Gartenerde. Trichtermalven mögen leichte, durchlässige und nicht zu nährstoffreiche Erde und vertragen es wegen ihrer langen Pfahlwurzeln schlecht, umgesetzt zu werden. Tägliches Giessen ist während Hitzeperioden notwendig. Ansonsten sind sie anspruchslos.

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Hornveilchen – Viola cornuta

Dunkelrote Hornveilchen - Viola cornuta

Hornveilchen, die kleinen Verwandten der Stiefmütterchen, gelten als blühfreudig und anspruchslos. Und sie gehören zu den ganz wenigen Blumen, die noch im Schnee blühen können. Es gibt sie in fast unerschöpflichen Farben und Farbkombinationen vom reinsten Weiss bis zum samtenen Rot-Schwarz. Im Frühling werden sie fast überall angeboten, sie sind auch beliebte Pflanzen für Gräber. Sie lassen sich aber genauso gut aus Samen anziehen. Meine Erfahrungen mit Hornveilchen sind allerdings durchzogen, mein Fazit ist: Leicht zu ziehen und schwer zu halten. Sie kommen nicht mit der zeitweise extremen Hitze auf meinem Balkon zurecht. Entweder sie haben zu nasse Füsse, was sie gar nicht mögen, oder sie leiden in der Trockenheit unter Mehltau.

Apropos Mehltau: Meist wird ja empfohlen, die Pflanze sofort zu entsorgen, um nicht andere Pflanzen anzustecken. Wenn ich Blumenhändler wäre, würde ich das auch sagen. Mehltau ist jedoch witterungsbedingt, und vor allem in Monokulturen und bei überzüchteten Gartenpflanzen ein Problem. Wer ganz verschiedene Arten auf seinem Balkon hat, kann es auch einfach aussitzen, wenn eine Pflanze bei heissem und trockenem Wetter von Mehltau befallen ist. Ich habe schon Hornveilchen erlebt, die vollständig mit diesem weisslichen Belag überzogen waren. Und sobald das Wetter wieder kühl und nass wurde, verschwand auch der Mehltau.

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Tagetes – Tagetes

Tagetes patula Ehrenkreuz

Zugegeben, Tagetes sind nicht gerade ein Ausdruck überschäumender Originalität: Sie dürften auf der Hitliste der häufigsten Balkon- und Kübelpflanzen wahrscheinlich hinter Geranien und Petunien auf Platz 3 landen. Aber man kann sich ja statt der immergleichen gelben und orangen gefüllten Sorten etwas Spezielleres besorgen, z.B. robuste alte Sorten wie die von Pro-Specie-Rara portierte rot-gelbe, ungefüllte Tagetes patula Ehrenkreuz. Die Beliebtheit von Tagetes kommt nicht von Ungefähr: Sie blühen den ganzen Sommer ununterbrochen. Abgesehen von regelmässigen Wassergaben sind sie überhaupt nicht anspruchsvoll. Und alte Sorten dieser einjährigen Pflanze kann man im Gegensatz zu modernen Hybriden Jahr für Jahr aus den eigenen Samen weiterziehen.

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Zinnien – Zinnia violacea

Rosa Zinnie - Zinnia violacea

Zinnien sieht man zwar oft in Gärten und auf Gräbern, aber es scheint sich noch nicht herumgesprochen zu haben, dass man niedrige Arten dieser Sommerblume durchaus auch in Kübeln und Töpfen auf dem Balkon ziehen kann. Bei Zinnien gibt es wie bei den Hornveilchen eine fast unerschöpfliche Zahl von Varianten bezüglich Farben, Grösse und Höhe. Am besten besorgt man sich im ersten Jahr eine niedrige Mischung und sammelt dann von jenen Exemplaren, die am besten gediehen sind und/oder die am besten gefallen haben, Samen fürs nächste Jahr.

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Portulakröschen – Portulaca grandiflora

weisses Portulakröschen - Portulaca grandiflora

Portulakröschen habe ich auf dem Friedhof kennengelernt. Sie werden dort oft als pflegeleichte, farbenfrohe Bodendecker eingesetzt. Sie eignen sich aber genauso gut für sonnenexponierte Töpfe und Schalen. Ihre bonbonfarbigen kurzlebigen Blüten in Weiss, Rosa, Gelb, Rot, Orange, mag ich ebenso wie ihre fleischen Blätter und Stile. Die Blüte sieht tatsächlich aus wie bei den Buschwindröschen, daher der Name. Manchmal bekommt man Portulakröschen kurze Zeit in Gartenzentren. Sie lassen sich leicht aus Samen ziehen, bei der Migros habe erst kürzlich Samentüten gesehen. Ich empfehle Direktsaat, denn die fleischigen Keimlinge brechen leicht, so dass das Umtopfen eine heikle Sache ist. Beim Pikieren können Sie ruhig mehrere Pflanzen im gleichen Topf stehen lassen. Ich habe bis zu 8 verschiedene Pflanzen in einer Schale mit 20 cm Durchmesser.  Das macht gerade den Reiz, dass man im gleichen Topf immer wieder andersfarbige Blüten erhält.

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Schleierkraut – Gypsophila elegans

Schleierkraut - Gypsophila elegans

Wegen seiner weissen Blüten und filigranen Stengel wird Schleierkraut oft in Brautsträussen eingesetzt. Als Balkonpflanze sieht man es eigentlich nie. Ich bin zufällig dazu gekommen, weil es in einer Blumenmischung enthalten war. Die leuchtend weissen Blütenpracht hat mir gefallen, also habe ich es seither aus Samen weitergezogen. Da es schnell keimt und blüht, kann man es den ganzen Sommer und Herbst noch als Nach- und Beisaat zu anderen Pflanzen nutzen, z.B. mit Feuersalbei.

Wenn Schleierkraut ins Freiland gesetzt wird, kann es allerdings erstaunlich hoch werden. Eine Bekannte, der ich von meinen Samen abgegeben habe, hat daraus eine mannshohe Pflanze gezogen. In einem kleinen Topf bleibt Gypsophila dagegen unter 50 cm. Und sie ist eine der wenigen Pflanzen, die ich auch auf der schwierigen Nordseite des Hauses zum Blühen gebracht habe.

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Löwenmäulchen – Antirrhinum majus

Gelbes Löwenmäulchen - Antirrhinum Majus

Meine Löwenmäulchen habe ich, wie manches andere auch, aus Samen gezogen, die ich in der Nachbarschaft am Strassenrand gefunden habe. Sie scheinen nicht farbecht zu sein, auf jeden Fall habe ich inzwischen nicht nur rote und gelbe, sondern auch orangerote. Im Gegensatz zu den bisher erwähnten Pflanzen sind sie mehrjährig und bis zu einem gewissen Grad frosthart. Den letzten extremen Winter mit 15 Grad minus haben sie allerdings im Topf nicht überlebt. Aber da sie so einfach zu ziehen sind, ist das nicht weiter tragisch, man sät im März die Samen und hat pünktlich im Sommer wieder neue blühende Pflanzen.

Auch Löwenmäulchen erlebe ich als anspruchslos und – was auf meinem Balkon besonders wichtig ist – trockenresistent. Meine Erfahrung gilt allerdings für einen Bastard, den ich buchstäblich auf der Strasse aufgelesen habe. Ich wage zu bezweifeln, dass dies für alle Gartensorten gleichermassen gilt.

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Akelei – Aquilegia vulgaris

Blaue Akelei - Aquilegia vulgaris

Abgesehen von den Hornveilchen sind alle bis jetzt erwähnten Pfanzen Sommerblumen. Akeleien blühen dagegen im Frühling und Frühsommer an sonnigen oder halbschattigen Standorten. Die Akelei ist eine Wildblume, aus der zahlreiche Gartensorten in den verrücktesten Farbkombinationen gezüchtet worden sind. Wer sie allerdings als mehrjährige Pflanzen ohne Schutz draussen überwintern will, der hält sich besser an naturnahe Sorten oder sucht sich im Sommer gleich Samen von Wildpflanzen. In der Schweiz darf man das übrigens, weder die blaue  (Aquilegia vulgaris) noch die dunkelrote Akelei sind gefährdet oder geschützt, ganz im Gegensatz zu Deutschland.

Wilde Akeleien sind extrem frostresistent: diesen Frühling sah man an vielen Stellen im Freien fast nur noch Akeleien, weil all die anderen Pflanzen die tiefen Minustemperaturen nicht überlebt haben. Und meine Akeleien, die den Winter  draussen in nicht einmal 10 cm Erde in einer ungeschützten Schale verbringen mussten, haben dies bestens überlebt.

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Knollenbegonien – Begonia tuberhybrida

Rote Knollenbegonie - Begonia tuberhybrida

Alle bisher erwähnten Pflanzen habe ich auf meinem südexponierten Balkon gezogen. Das Fenster auf der Nordseite ist dagegen mein Sorgenkind. Wegen der Lage gibt es nur etwas Sonne am Morgen und zudem tropft es bei Regen heftigst von der oberen Mauerkante, so dass Pflanzen in einem aussen angebrachten Blumenkistchen geradezu vom Regen erschlagen werden. Der Zwischenraum zwischen dem niedrigen Gitter und dem Fenster ist dagegen zu schmal für ein normales Kistchen. Eine Schachtel herabgesetzter Knollenbegonien hat mich dann dazu verleitet, es dieses Jahr trotzdem wieder mit ein paar Töpfen zu versuchen. Zuerst wurde meine Geduld arg auf die Probe gestellt: Lange Zeit kam gar nichts, dann kamen in zwei der fünf Töpfe Blätter, viele Blätter und noch mehr Blätter, riesengross. Und irgendwann, als ich die Hoffnung fast aufgegeben hatte, kamen dann die Blüten,  auf der Sonnenseite rote und auf der Nordseite weisse. Und die Blüten sind so wie die Blätter, üppig und riesengross. Einen der übrigen Töpfe habe ich inzwischen entsorgt, und zwei weitere Töpfe wuchern im Stadium der Blätter vor sich hin. Aber wer weiss, vielleicht schaffen sie es noch bis zum Winteranbruch? Und sonst buddle ich die Knollen aus, überwintere sie und versuche es im nächsten Jahr noch einmal.

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Vive la diversité

Es gäbe noch manche Blume, die hier eine Erwähnung verdient hätte: Balsaminen, Bartnelken, Feuersalbei, der eingangs erwähnte Islandmohn, Schwefelkosmeen, Stiefmütterchen und Sommerastern, sie waren alle schon zu Gast auf meinem Balkon. Ich liebe es, mit verschiedenen Pflanzen zu experimentieren und Blumensamen aus der Fremde oder aus der freien Natur mitzubringen. Die meisten Blumensamen halten mehr als ein Jahr, wenn man sie trocken lagert. Man muss also nicht alles im nächsten Jahr gleich wieder anbauen, sondern kann von Jahr zu Jahr etwas abwechseln. Ich freue mich jetzt schon auf meine Karthäusernelken und Glockenblumen im nächsten Jahr.

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