Nach einem harten Winter und einem nasskalten Frühling hat die Blumensaison auf meinem Balkon doch noch begonnen. Bei den Akeleien (Aquilegia vulgaris) hat sich das Warten gelohnt: Sie haben den Winter mit rekordverdächtigen Minustemperaturen bestens überstanden und blühen seit mehreren Wochen in Rosa, Blau und Violett. Überhaupt scheint dieses Jahr ein Akeleien-Jahr zu sein. Es fällt auf, dass nicht nur in den Gärten, sondern auch in der freien Natur überall Akeleien wuchern. Vermutlich sind viele ihrer Standort-Konkurrenten bei Temperaturen bis Minus 15 Grad erfroren und haben für die Überlebenden Platz gemacht.
Ansonsten sind der Kälte einige meiner mehrjährigen Pflänzchen zum Opfer gefallen: Von den Löwenmäulchen (Anthirrinum majus) hat keines überlebt. Und die in diesem Jahr angesäten sind noch so klein, dass ich kaum auf Blüten zu hoffen wage.
Auch die Wildblumen kamen nicht alle mit dem Frost zurecht: Die mehrjährigen Moschusmalven (Malva moschata) haben zwar noch zaghaft ein winziges Blatt vorgeschoben, aber in der nächsten Kaltfront wurde es braun und Nachfolger kam keiner mehr. Der Färberkamille (Anthemis tinctoria) ging es etwas besser: Sie hat doch immerhin ein paar Triebe geschoben, ist aber verglichen mit letztem Jahr zwergwüchsig und jetzt, Mitte Juni, noch weit entfernt von Knospen oder Blüten. Auch der Acker-Rittersporn (Consolida regalis) gedeiht nur sehr verhalten. Das ist nicht wirklich verwunderlich, er hat sich selbst ausgesät und ein paar Töpfe okkupiert.
Einige Wildblumenarten, die ich letzten Herbst schon aussäte oder überwinterte, sind bestens gediehen: Mehrere Kornblumen (Centaurea cyanus) schieben Blüte um Blüte, trotz all dem Regen in den letzten Tagen. Allerdings haben sie ein paar Läuse, was ich bis jetzt noch nie gesehen habe. Der Venus-Frauenspiegel (Legousia speculum-veneris) ist so üppig wie noch nie. Zwar gibt es trübe Tage, an denen die Knospen, die an kleine Lampions erinnern, den ganzen Tag geschlossen bleiben. Aber ein paar Sonnenstrahlen über Mittag und der Topf verwandelt sich in ein Blütenmeer. Die Kornraden (Agrostemma githago) sind bis jetzt vor allem in die Höhe geschossen. Da muss ich wohl noch bis im Juli warten, um die ersten Blüten zu sehen. Ein Wettrennen um die höchste Pflanze liefern sich Kornraden und die zweijährige rauhe Nelke (Dianthus armeria). Auch letztes Jahr hat diese Pflanze ein paar Töpfe besiedelt, meiner Vernachlässigung und Missachtung erfolgreich getrotzt. Und jetzt schiesst sie in die Höhe wie Bambus. Auf die winzigen Blüten in Pink muss ich sicher nicht mehr lange warten. Und schon wieder habe ich zahlreiche sattgrüne Blattrosetten, aus denen nächstes Jahr die filigranen Stengel wachsen werden.
Apropos Warten, schon drei Jahre hätschle ich jetzt Napoleon, meinen scharfen Mauerpfeffer (Sedum acre). Seinen Spitznamen hat er abgekriegt, weil jeder Topf, der ihm zu Nahe kommt, sofort mit einer Invasion rechnen muss. Schon den dritten Topf hat er überwuchert. Aber geblüht hat er bis jetzt nie. Diesen Frühling riss mir der Geduldsfaden und ich habe einen Topf an meine Freundin verschenkt. Ihren riesigen Garten wird er so schnell nicht erobern. Und heute hat sich endlich die allererste Blüte geöffnet.
Die rot-weisse Bartnelke (Dianthus barbatus) hat nur ein ganz kurzes Gastspiel gegeben: An Stängeln und Blättern mangelt es nicht, aber alles nur bodendeckend. Eine einzige Blüte gab es bisher und es sieht nicht nach weiteren aus. Dafür hat sich das Schleierkraut (Gypsophila elegans) selbst ausgesät und spriesst in einzelnen Töpfen. Es sind dünne, schwache Pflänzchen, kein Vergleich mit letztem Jahr! Mit den Hornveilchen (Viola cornuta) war ich dieses Jahr sehr zurückhaltend, sie sind immer am kränkeln auf meinem Balkon, haben entweder zu nass oder zu heiss. Aber ein Töpfchen blüht trotzdem in zartem Blau.
Obwohl ich mit dem Vorsatz, nichts zu kaufen, an den Pro-Specie-Rara-Wildpflanzenmarkt ging, bin ich schwach geworden: Es gab eine Sonderausstellung zu Pelargonien. Bis jetzt habe ich um die konsequent einen weiten Bogen gemacht, obwohl die Farbe mir eigentlich gefällt. Aber als Bernerin kriegt man von Geranium, wie man Pelargonien hierzulande nennt, rasch eine Überdosis. Bei den Duftpelargonien war es dann allerdings um mich geschehen. Nachdem ich mich im Schau-Beet durch Ananas-, Minze-, Orangen- und einige weitere Düfte durchgeschnuppert hatte, klapperte ich sämtliche Stände nach diesem neuen Objekt meiner Begierde ab. Das Angebot war mager. Der erste Stand bot nur eine kleinblütig weisse Duftpelargonie an. Wenn schon Pelargonien, dann richtig, d.h. rot und gross. Im hinteren Teil des Marktes fand ich dann doch noch eine: Sie duftet nach Apfel und hat rot-rosane Blüten mit wunderschöner Zeichnung.
Es gäbe noch einiges zu Erzählen, aber die Geschichte vom Geschenkmäuerchen spare ich mir für ein anderes Mal. Und wie aus einem Paar alten Hosen ein Hänger für meine Wild-Erdbeeren wurde, hat auch einen eigenen Beitrag verdient.