Noch immer leide ich an akuter Flowermania. Im tiefsten Winter konnte ich den Start der Saison schon kaum erwarten. Bereits Mitte Februar fing ich an, auf dem sonnigen Wohnzimmertisch erste Pflänzchen zu ziehen. Aber eigentlich hatte die Saison schon im Oktober 2010 begonnen, denn da kamen die ersten Frostkeimer unter den Boden beziehungsweise in den Topf, unter anderem Adonisröschen, Kornblumen, Mohn, Venus-Frauenspiegel und Kornraden. Der Herbst war allerdings solange mild und trocken, dass die ersten Samen bereits im November keimten. Die Pflänzchen haben den Winter überstanden.
Und der aussergewöhnlich heisse und trockene Frühling belohnte meinen Übereifer. Im März konnte ich dann die ersten frostharten Setzlinge auf den Balkon stellen. Heute, am letzten Apriltag, zeigt sich an der ersten Kornblumenknospe ein blauer Flaum. Wahrscheinlich wird sie sich trotz des langersehnten Regens, der heute Abend eingesetzt hat, in den nächsten Tagen öffnen. Man stelle sich das vor, blühende Wild-Kornblumen anfangs Mai.
Doch fangen wir vorne an: The winner is – Hornveilchen (Viola cornuta). Sie blühten letztes Jahr noch im November unter dem ersten Schnee und sie streckten auch dieses Jahr als erstes ihre Köpfchen aus der Erde. Das dunkelrote Hornveilchen, das ich mir gekauft habe, weil mir die Farbe so gefällt, blüht seit anfangs April. Die meisten anderen stammen aus selbstgesammelten Samen.
Da Hornveilchen nicht farb- und sortenrein sind und sich leicht mischen, sieht man vielen meiner Pflänzchen an, dass sie Bastarde sind. Bei den gelb-violetten kippt das Violett gelegentlich ins Dunkelrot und die Flecken sind auch nicht immer da, wo sie sein sollten. Aus dem Hellblau vom letzten Jahr gab es ein verwaschenes Blau-Weiss mit fliederfarbenem Hof. Interessanterweise haben manche Blüten in diesem fliederfarbenen Hof noch einen weissen Fleck, andere an der gleichen Pflanze dagegen nicht. Nur die Gelben scheinen resistent gegen dieses Kuddelmuddel zu sein. Sie sind reingelb wie eh und je.
Gleich nach den Hornveilchen kam ein völlig unerwarteter Gast: Seit letzten Sommer hatte ich ein Pflänzchen mit ovalen grünen Blättern gehätschelt. Im Winter wurde es dann unansehnlich braun und nur meine winterliche Trägheit rettete es davor, weggeschmissen zu werden. Und plötzlich zeigten sich in der noch zaghaften Frühlingsonne kleine blaue Blütensterne – ein Vergissmeinnicht (vermutlich Myosotis sylvestris) . Schon fast einen Monat blüht es nun und erfreut mich mit seinem frischen Blau.
Eine weitere Überraschung waren die zwei UPOs (Unknown Plant Object), die ich seit letztem Jahr in einer Schale auf dem Balkon pflege. Von ihnen war letztes Jahr schon die Rede, es handelt sich um die Miniaturpalmen. Sie verwandelten sich zuerst in UFOs (Unknown Flower Objects), indem sie zu blühen begannen: ein Pflänzchen in kräftigem Orange, das zweite in einem samtigen Braun-Rot. Und dank einer Bekannten haben die zwei jetzt auch Namen: Es handelt sich um Goldlack (Erysimum cheiri).
Bei den diesjährigen Pflanzen ist der Gewinner San Vitalia procumbens: Auch sie zeigte die ersten Blüten noch im April. Allerdings gehört sie zu den Pflänzchen, die ich schon Mitte Februar im Wohnzimmer vorgezogen habe.